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London Bridge

Eine Brücke an oder in der unmittelbaren Nähe der Stelle der jetzigen London Bridge existiert in der einen oder anderen Form seit fast 2000 Jahren. Schon die Römer haben dort eine feste Überquerung gebaut, als Londinium ab ca. 45 n. Chr. besiedelt und schon bis zum 1. Jh. zur Hauptstadt wurde. Ab dem 5. Jh. ebbte die Macht der Römer stetig ab und London blieb rund 200 Jahre mehr oder weniger unbewohnt.

Danach wuchs London immer weiter. Trotz stetigem Zuwachs der Stadt blieb die Überquerung der Themse bis ins 18. Jh. die einzige feste weit und breit. Natürlich gab es auch Fähren, die Mensch, Tier und Ware transportierten. Aber sie waren nicht immer zuverlässig und auch nicht ohne Risiko.

In der Geschichte der London Bridge kann die gesamte Zeitspanne in ungefähr drei Abschnitte unterteilt werden:
Die Zeit vor 1209, die Zeit danach und vor 1831 und die "moderne" Zeit bis heute.


London um 1300 mit "London Bridge" über die Themse

Die ersten Brücken

Die Themse war auch für die römischen Eroberer wichtig. Schon seit ca. 45 n. Chr. war an der Stelle der jetzigen London Bridge nachweislich eine fest Überquerung des Flusses vorhanden. Allerdings hatte damals die Themse eine andere Lage.

Nach dem Abzug der Römer verfiel die Brücke, vermutlich wurde sie aber mehrfach repariert oder neu errichtet. Im Jahr 1014 wurde sie auf Anweisung von König Aethelred niedergebrannt, um die angreifenden Truppen des Dänen Sven Gabelbart in mehrere Gruppen zu spalten. Dieses Ereignis lieferte wahrscheinlich die Inspiration für das bekannte Kinderlied "London Bridge is Falling Down". Die anschließend neu errichtete Brücke wurde 1091 durch ein Unwetter und im Jahr 1136 abermals durch ein Feuer zerstört.


Modell der römischen London Bridge vom London Bridge Museum

Die bewohnte Brücke

Nach der Zerstörung der alten Brücke schlug der für den Unterhalt zuständige Geistliche, Peter de Colechurch vor, die Holzbrücke durch eine dauerhaftere Konstruktion aus Stein zu ersetzen. Der Bau der Brücke begann 1176 während der Herrschaft von Heinrich II., unter der Aufsicht von Peter de Colechurch. König Heinrich wollte den Erzbischoff von Canterbury, Thomas Becket, der 1170 irrtümlich ermordet und schon drei Jahre später heiliggesprochen wurde, damit verewigen.

Die steinernen Brückenpfeiler wurden auf mit Steinen verfüllte Ovale aufgesetzt; die Ovale ruhten auf Fundamenten aus in den Flussboden gerammten Stämmen und wurden zum Schutz vor Auswaschung durch die enorme Tide mit Wellenbrechern umgeben. Das war damals ein neuartiges Verfahren. Nach 33 Jahren, vier Jahre nach de Colechurchs Tod 1205, wurde das Bauwerk von dem französischen Bauingenieur Isenbert de Xaintes, von dem auch die Brücken in Saintes und La Rochelle stammen, 1209 während der Herrschaft Königs Johann Ohneland (1167-1216) fertiggestellt und eröffnet.

Die mittelalterliche Brücke bestand aus 19 kleinen, unregelmäßigen Spitzbögen und einer größeren Durchfahrt mit Zugbrücke. Die Brücke war sechs Meter breit und 273 m lang. Sie hatte als markante Bausegmente das stadtseitige Nordtor (New Stone Gate) über dem zweiten Pfeiler, das Zugbrückentor (Drawbridge Gate) mit Wachhaus auf jeder Seite auf dem siebten Pfeiler. Letzteres war zuerst als Holztor mit Doppeltürmen (1209), 1426 als Steindoppeltor mit vier integrierten runden Ecktürmen errichtet worden. Daneben gab es eine Kapelle auf dem elften, größer ausgelegten Pfeiler mit vom Fluss aus zugängiger Krypta (diente als Grab ihres Erbauers Peter de Colechurch), die Thomas Becket geweiht und 1384-1397 erneuert wurde. Das dem Zugbrückentor ähnliche Südtor (Great Stone Gateway oder Great Stone Gate) befand sich am Southwark-Ende der Brücke und wurde ab 1305 benutzt, um darauf die Köpfe hingerichteter Verräter aufzuspießen und den Einwohnern zur Schau zu stellen (siehe Bild im Vordergrund).


London Bridge mit den Gebäuden (am Südtor die aufgespießten Köpfe)

König Johann hatte die Idee, auf der Brücke Häuser gegen Mietzins zu errichten. Bald darauf entstanden Geschäfts- und Wohnbauten. Zeitgenössische Bilder zeigen die Brücke mit bis zu sieben Stockwerke hohen Häusern. Die Zahl der Einwohner war so hoch, dass die Brücke bis zum 18. Jahrhundert als eigener Stadtbezirk mit eigenem Bezirksvorstand galt. Eigens dafür wurde eine Verwaltungsgesellschaft als Stiftung gegründet, der Bridge House Trust, die im Laufe der Jahrhunderte ein riesiges Vermögen anhäufte. Heute kann diese noch bestehende Gesellschaft den Brückenbau sowie weitere Bauvorhaben meist ohne Fremdkapital finanzieren.

Eine der Sehenswürdigkeiten auf der Brücke wurde 1597 fertiggestellt. Das Prachtgebäude, Nonsuch House, ging als erster dokumentierter Fertigbau in die Geschichte ein. Das vierstöckige Gebäude wurde erst in den Niederlanden aufgebaut, dann zerlegt und nach London transportiert, wo es wieder aufgebaut wurde. Es entstand als Holzkonstruktion nach alter Zimmermannstradition ohne Nägel, Steine oder Mörtel, zusammengehalten lediglich von Holzdübeln.

Gegen Mitte des 18. Jhs. war die Brücke stark heruntergekommen. Der Winterfrost setzte der Brücke immer mehr zu und ständige dringend notwendige Reparaturarbeiten wurden oft mangelhaft durchgeführt. So wurde die Brücke zunehmends gefährlich. Durch den Bau der Westminster Bridge im Jahre 1750 war auch die Zeit der alleinigen Themsebrücke in London vorbei. Auch der Verkehr wuchs stark und wurde auf der Brücke extrem chaotisch.

1756 wurde auf Anordnung die Regelung des Verkehrs auf der Brücke festgelegt. Der Linksverkehr auf der Insel erblickte das Licht der Welt! Zwischen 1756 und 1760 wurde die Brücke radikal von Gebäuden geräumt und dann der mittlere Pfeiler entfernt, um dem stark zunehmenden Flussverkehr ein sicheres Passieren zu ermöglichen. Das war jedoch ein großer Fehler, da dadurch die ohnehin starke Flussströmung wesentlich verändert wurde und das Flussbett an der Stelle erodierte. Die Stabilität der Brücke war gefährdet. Als dringende und doch erfolgreiche Lösung wurde überlegt, das Flussbett an der Brücke mit großen schweren Steinen zu befestigen, die aus einem gerade zuvor verordneten Abriss und Verkauf sämtlicher Stadttore zurückgekauft wurden. 1762 bis 1763 wurde die Sicherheit des Fußgängerverkehrs durch den Bau eines Fußgängerweges auf der Ostseite der Brücke verbessert. Der Glockenturm der St Magnus Kirche stand diesem Vorhaben jedoch im Wege. Deshalb wurde durch den Turm ein Durchgang geschaffen, der bis heute zu bewundern ist. Letzenendes wurde 1823 die Entscheidung zum Bau einer neuen London Bridge, der sog. "New" London Bridge endgültig gefällt und 1832 die "Old" London Bridge abgerissen. Immerhin hatte sie noch 70 Jahren gehalten.


Ab 1760 London Bridge ohne Gebäude
(St Magnus Kirche u. Monument-Säule im Hintergrund)

"New" London Bridge

Die Entscheidung, die mittlerweile fast abbruchreife, schmale und für die Schifffahrt gefährliche mittelalterliche London Bridge zu ersetzen, war gefallen. Ein neue Brücke musste gebaut werden, die den stark angestiegenen Verkehr bewältigen konnte. Obwohl mittlerweile weitere Themsebrücken gebaut worden waren, war die Stelle der London Bridge immer noch sehr attraktiv. 1799 wurde ein Wettbewerb für eine neue Brücke veranstaltet. Der Sieger war John Rennie, ein schottischer Bauingenieur, der auch die Brücken Waterloo und Southwark entworfen hatte.

Seine Brücke ist 283 m lang und 15 m breit. Verschiede Granitsorten wurden wegen der besonderen festgelegten Farbgestaltung benötigt - Ostseite grau, Westseite purpur, die Bogensteine in rot/braun. Deshalb kam der Stein aus Devon (Dartmoor) und Cornwall wie auch Aberdeen und Peterhead (Schottland). Zu diesem Zeitpunkt wurde in London sehr viel gebaut und auch sehr viel mit Granitstein gebaut. Die Brücke benötigte insgesamt 118.000 Tonnen davon. Vielleicht war das auch ein Grund, aus verschiedenen Steinbrüchen mit Farbunterschieden zu beziehen.


 Der Bau der neuen London Bridge (rechts) mit der alten noch im Betrieb

Die Brücke wurde ca. 30 Meter stromaufwärts parallel zur alten Brücke sieben Jahre lang unter Aufsicht seines Sohnes gebaut und am 1. August 1831 durch König William IV für den Verkehr freigegeben. König William beauftragte zum Fest einen englischen Maler, Clarkson Stanfield (1793 - 1867), ein Gemälde der grandiosen Eröffnungszeremonie mit großem Zelt auf der Brücke zu fertigen. Nachdem sie freigegeben wurde, wurde mit dem Abriss der alten Brücke begonnen.

Auch die neue Brücke wurde zum verkehrsreichsten Ort der Stadt. Schätzungen zufolge benutzten die Brücke um 1896 stündlich 8.000 Fußgängen und 900 Fahrzeuge. 1902 musste sie deswegen verbreitert werden. Der Fußgängerweg auf beiden Seiten wurde mit Granitausleger um jeweils 2 m nach außen versetzt, um eine breitere Fahrbahn zu schaffen.


Die Eröffnung der neuen London Bridge 1831
(Gemälde von Clarkson Stanfield)

Allerdings war die Brücke trotz der größeren Abständen zwischen den Pfeilern nicht stabil. Durch die Gezeiten und stetig zunehmenden Verkehr begann sie sich durchschnittlich um ca. 3 mm pro Jahr abzusenken und bis 1924 bekam sie eine leichte seitliche Neigung um ca. 9 cm nach Osten! Die Brücke musste ersetzt werden.

1967 wurde entschieden die Brücke zu verkaufen. Man folgte damit einer Idee von Ivan Lucklin, Ratsmitglied der Londoner Verwaltung, die erst drei Jahre später angenommen wurde. Letztenendes kaufte der amerikanische Multimillionär, Ölmulti und Kettensägehersteller Robert McCulloch sie für 2,46 Millionen Dollar, um seine neue Errungenschaft, ein wüstenartiges Gelände am Rande des Lake Havasu in Arizona, attraktiv für die Gründung einer neuen Stadt zu machen. Allerdings erwarb er gerade einmal 9.000 der insgesamt 118.000 Tonnen Stein, die im Wesentlichen nur als Verkleidung einer neuen, aus Beton gebauten Brücke benutzt wurden, damit zum Schluss die Brücke doch echt aussieht. Ein Teil der alten Steine wurde in England zuerst in Scheiben geschnitten, bevor sie nach Kalifornien verschifft wurden. Wo die restlichen 109.000 Tonnen Granit geblieben sind, ist scheinbar nicht bekannt.

Entworfen von Lord Holford und dem Ingenieurbüro Mott, Hay und Anderson wurde die heutige Brücke vom Traditionsbaukonzern Mowlem (2006 vom Baukonzern Carillion gekauft) errichtet. Der Bau dauerte fünf Jahre von 1967 bis 1972, weil die Konstruktion der neuen mit dem Abbau der alten Brücke kombiniert wurde, um dabei sicherzustellen, dass der Verkehr weiterhin ungehindert rollen konnte. Zuerst wurden die Ausleger der alten Brücke auf der westlichen Seite abmontiert, dann für die neue moderne Brücke die mittlere Trasse, dann die Außentrasse der Stahlbetonträger gestellt und soweit vorbereitet, dass der Verkehr nahtlos umgeleitet werden konnte. Dann wurde die alte endgültig abgetragen und der freigewordene Platz für die Fertigstellung der neuen Brücke verwendet. Sicherlich eine Meisterleistung der Baufirmen. Die neue Brücke kostete über 4 Millionen Pfund (nach heutiger Kaufkraft ca. 70 Millionen Euro) und wurde ganz von dem Bridge House Estates getragen. Eröffnet wurde sie von Königin Elisabeth II am 17. März 1973.


Der Bau der modernen Brücke mit der alten "neuen" noch hinten

Am 11. November, 2004, am "Rememberance Day" wurden alle Themsebrücken mit roten Lichtern ausgestattet, um einen Nachtflug von Veteranenkriegsflugzeugen entlang der Themse zu begleiten. Danach wurden die Lichter mit Ausnahme derer auf der London Bridge abgebaut.

Dieser Tag erinnert an das Ende des ersten Weltkriegs, der formell um 11 Uhr am 11.11.1918 endete. Die Farbe rot kommt vom Mohn, der auf den Schlachtfeldern Flanderns blühte und in dem Gedicht "In Flanders Fields", 1915 von dem kanadischen Soldaten John McCrae verfasst, in Erinnerung bleibt. Deshalb heißt dieser Tag auch "Poppy Day". Um diese Zeit erhält man eine Papiermohnblume gegen eine kleine Spende.


London Bridge bei Nacht rot erleuchtet

Fassung und Gestaltung: Johnny Glover
Irrtümer vorbehalten